TRAC 2025 Call for Sessions

The 33rd Theoretical Roman Archaeology Conference – TRAC 2025

Date: 22–24 October 2025

Venue: Online through the Gather Town platform

The TRAC Standing Committee and TidA are pleased to invite proposals for themed conference sessions for TRAC 2025.

In the spirit of collaboration the Theoretical Roman  Archaeology Conference Standing Committee and TidA are partnering to offer an opportunity to connect scholars  working in the D-A-CH regions, the UK and beyond for a special TRAC 2025 conference. Established at the TAG conference in Lampeter, AG Theorien in der Archäologie (AG TidA) has evolved from the Theorie-AG, founded in 1990 and dedicated to furthering debates in archaeological theory within (but not exclusively) the German speaking world (D-A-CH).

TRAC 2025 welcomes sessions that address all aspects of theoretical Roman archaeology. However, as TidA’s scope is not limited to the Roman world only, the joint organising team specifically welcomes sessions taking a comparative diachronic approach regarding Roman archaeology and other archaeological and historical cultures, or take a long-horizon perspective and consider the Roman world in relation to prior or subsequent periods. We also welcome proposals for sessions that consider the application of a specific theoretical model in diachronic perspectives but include the Roman world.

To facilitate collaboration, the organising team will endeavour to offer match making for prospective session organisers who want to run a joint session with colleagues from another country but might require an introduction.

Following the submission deadline for session proposals, we will also offer an opportunity for complementary session topic organisers to connect up to offer a joint double session.

TRAC 2025 especially encourages sessions that consider:

  • Diachronic and cross-cultural perspectives on theoretical approaches in the Roman world and beyond
  • Decolonising archaeology (including curriculum) – insights from other subjects are welcome
  • Transformation of empires – diachronic and cross-cultural comparisons with the Roman Empire
  • Sustainable Heritage – Managing and developing Roman cultural heritage sites and what we can learn from non-Roman sites
  • ‘New materialities’ including in the digital age
  • (Dis)connectivities in human-environment-object relationships
  • Beyond binaries and dualities in archaeological theory

Session format

  • A TRAC/TidA session should consist of 4 to 6 presentations (double-sessions and half-sessions will be considered)
  • Presentations should last no longer than 20 minutes
  • The format can be standard or workshop
  • Speakers are asked to leave sufficient time at the end of their papers for questions from the audience, though time for more general discussion will also be included at the end of sessions
  • The official conference language is English; presentations in German are welcome as long as the accompanying slides are bilingual.

Session Proposal should include:

  • Session title
  • Name, affiliation, postal address and email of the proposer(s)
  • A short description of the theme or subject area of the session (not more than 300 words)
  • Proposed session can have a list of speakers, but do not have to. Session proposals can submit a list of up to 6 proposed speakers and titles/themes of their presentations, indicating in each case if the speakers have confirmed their participation in the session.

Session proposals should be sent to tracconf2025@gmail.com

Deadline: 15 May 2025. 

Session proposals will be considered by the joint organising team and sessions proposers will be informed of the Committee’s decision by email.

The Theoretical Roman Archaeology Conference will have a general session(s) for any papers that do not correspond with a themed session.

A Call for Papers will follow in June 2025.

From Different Worlds: Interdisziplinäre Kombination und Adaption von Theorien in den Altertumswissenschaften – ein Bericht

Ein Beitrag von Monika Zöller-Engelhardt, Sarah Scoppie, Stefan Schreiber und Tina Beck

31.01.2025–01.02.2025

Gemeinsamer Workshop des Profilbereichs „40,000 Years of Human Challenges“ an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der Workshop-Reihe der AG TidA „Theory in Practice“ und des Arbeitsbereichs Ägyptologie des Instituts für Altertumswissenschaften

Organisation: Monika Zöller-Engelhardt, Sarah Scoppie, Stefan Schreiber, Tina Beck


Nach einer thematischen Einleitung durch Monika Zöller-Engelhardt im Namen des Organisationsteams arbeitete Kerstin P. Hofmann in ihrem umfassenden Keynotevortrag heraus, welche Forschungsschwerpunkte die Altertumswissenschaften im Vergleich zu anderen Disziplinen behandeln und machte dies explizit aus der Perspektive einer prähistorischen Archäologin. Sie veranschaulichte sehr gut, dass „Archäologien“ im Gegensatz zu anderen Disziplinen sehr breite Untersuchungsfelder mit großer zeitlicher Tiefe umfassen und widerlegte den Eindruck, Altertumswissenschaften würden Theorien ausschließlich aus anderen Forschungsfeldern übernehmen. Sie stellte fest, dass Nutzung und Adaption von Theorien fachfremder Disziplinen einer Übersetzungsleistung unterliegen und damit kein Schlüssel-Schloss-Prinzip darstellen, sondern als (subjektive) Interpretationen zu verstehen sind. Diesem Plädoyer für Theorien in der Archäologie und für die Kombination dieser folgten sieben konkrete Anwendungsbeispiele aus den Altertumswissenschaften [1].

Teilnehmer*innen des Theory in Practice-Workshops an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Raphael Berger stellte in seinem Beitrag die Formale Netzwerkanalyse und die Akteur*innen-Netzwerk-Theorie vor, die er im Rahmen seiner Dissertationsforschung zur Thunerseeregion verbindet. Mit diesem posthumanistischen Ansatz möchte er in der prähistorischen Archäologie traditionelle Perspektiven und Forschungen aus kapitalistischer Perspektive zu Handelsnetzwerken überwinden, um eine Alternative vorzuschlagen. Susanne Deicher rückte die Forschung von Erich Auerbach zur „Figura“ in den Vordergrund, bettete diese in die Forschungsgeschichte der Kunst-, Kultur- und Geisteswissenschaften ein und brachte sie mit Phillippe Descolas jüngerer Forschung zur „Figur“ in Zusammenhang. Anhand altägyptischer Fallbeispiele illustrierte sie den Vorteil eines solchen Figurbegriffs, der nicht funktionsgebunden, sondern deterministisch ist. Mirja Biehl stellte die Cognitive Science of Religion vor und lenkte das Augenmerk auf die Theorien Minimally counterintuitive concepts und Hyperactive agency detection und deren Verbindung zur Religion der griechischen Antike. Sabine Neumann fokussierte auf das Konzept des social imaginary für antike Religionen. Rituelle Praktiken werden mit Vorstellungen und Glauben verbunden, um so Akteur*innen sichtbar zu machen. Johannes Bach stellte in seinem Vortrag die Frage, wie man Theorie angemessen auf assyriologische Texte zur antiken Historiografie anwenden könne. Hierfür stellte er unterschiedliche Theorien der Geschichtsschreibung vor und brachte diese mit königlichen Texten zusammen, wobei er für eine selbstkritische, reflektierte Vorgehensweise bei der Anwendung/Übernahme/Übersetzung der Großtheorien der Geschichtsschreibung plädierte. Shumon T. Hussain beschäftigte sich mit Technologie und Ökonomie und stellt den Begriff der Technosphäre vor, was u. a. alle Artefakte (vom Menschen hergestellte Dinge) umfasste und einen neuen Analyseblick auf Steinwerkzeuge evozierte. Im letzten Vortrag des ersten Workshop-Tages reflektierte Stefan Schreiber die Nutzung von Theorien durch die vermeintlich gegensätzlichen Konzepte des Parasitären und der Solidarität. Dazu führte er in die Perspektive der Fadenspiele ein, welche auf Donna Haraway zurückgeht, um beide Konzepte zusammenzubringen und einen Blick auf gemeinsame Theoriearbeit jenseits von Disziplinengrenzen öffnet.

Nach den Vorträgen folgten konstruktive und lebhafte Diskussionen, die auch in den Pausen fortgeführt wurden. Am Abend ergaben sich hieraus erste Ideen, die als Ansatzpunkte für das Barcamp-Format des nächsten Tages dienten, die auf einem Barcamp-Board organisiert wurden. Der zweite Workshop-Tag widmete sich gänzlich den Barcamp-Diskussionrunden an Gruppentischen, vorab eingeleitet durch zwei Spotlight-Vorträge: Monika Zöller-Engelhardt stellte am Beispiel altägyptischer Grabanlagen die Übertragung des Konzepts der Sorge in Verbindung mit dem Konzept der Affordanz vor. Tina Beck problematisierte am Beispiel des Begriffs entanglement die unreflektierte Nutzung von Theorien durch ein vermeintlich allerklärendes Schlagwort.

Themenfindung für das Barcamp am zweiten Workshoptag

Auf dem Barcamp-Board wurden die von allen Teilnehmenden gemeinsam erarbeiteten zahlreichen Stichpunkte zu vier übergeordneten Themenbereichen geclustert: (1) Bildsprache, Gesellschaft, Imaginäre Wirklichkeit, Kognition, Ontologie und World-making; (2) Anwenden von Theorie, Universaltheorie, was ist Theorie, Nutzlosigkeit von Theorie; (3) Data Science, Rolle von Datenbanken in der Theoriebildung, (4) Entanglement, Sorge-Konzept, Mensch-Ding-Verflechtungen. Für die erste Barcamp-Runde wurden drei Diskussionsgruppen zusammengestellt. Die Teilnehmenden priorisierten auf dem Board die Themen, die sie zuerst diskutieren wollten. Für die erste Barcamp-Runde wurden die Themenbereiche 1 und 4 gewählt, wobei Thema 4 in zwei Gruppen aufgeteilt wurde. Die Ergebnisse der Diskussionen der einzelnen Barcamp-Gruppen wurden durch Poster oder Moderationskarten festgehalten. Es zeigte sich, dass die Diskussionen in ganz unterschiedliche Richtungen gingen und verschiedenste Möglichkeiten und Szenarien der Theorienutzung aufzeigten. Bemerkenswert war, dass sich die Diskussion der beiden Barcamp-Tische zu Entanglement bzw. Mensch-Ding-Verflechtungen in völlig unterschiedliche Richtungen entwickelten: Während eine Gruppe hauptsächlich Ian Hodders Forschung in den Vordergrund stellte, fokussierte die zweite Gruppe auf das Konzept der Sorge und leitete so zur Emotionsforschung über, welches als neues Thema (5) Emotionen für die anschließende Barcamp-Runde vorgeschlagen wurde. Für die zweite Barcamp-Runde wurden die Themen 2, 3 und 5 diskutiert.

Der Keynotevortrag, die Einzelvorträge und Spotlights sowie die kontroversen Diskussionen zeigten, dass die interdisziplinäre Kombination und Adaption von Theorien in den Altertumswissenschaften unerlässlich ist und zahlreiche Anknüpfungspunkte für zukünftigen Austausch offenließen.


[1] Der angekündigte Vortrag von Matthieu Götz entfiel krankheitsbedingt.

Programm „Die Dinge einmal anders betrachten / Looking at Things Differently“

Programm der Internationalen Konferenz „Die Dinge einmal anders betrachten – Neuer Materialismus in der Archäologie / Looking at Things Differently – New Materialist Approaches in Archaeology“

Gemeinsame Tagung der AG Theorien in der Archäologie (TidA) mit dem Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) in Mainz, dem Exzellenzcluster ROOTS und dem Marburger Centrum für Antike Welt (MCAW) vom 20.-21.03.2025.


Programm – Abstracts durch Ausklappen der Vortragsslots

Donnerstag 20.3.2025, Vortragssaal, LEIZA, Mainz

08:00–09:00 • Registration and Welcome

09:00–09:10 • Alexandra W. Busch (LEIZA) & Martin R. Renger (TidA) • Welcome

09:10–09:30 • Organizers • Introduction

Session: Ontologies of Past Worlds • Chair: Martin R. Renger

09:30–10:00  • Matthias Jung • „Neue Wege der Ontologie“ und ihr möglicher Beitrag zum archäologischen Erkenntnisfortschritt

Das vor einigen Jahren wiedererwachte Interesse an der Ontologie (oder besser: Ontologien im Plural) steht in einem komplexen Wechselverhältnis zu den vielfältigen Positionen innerhalb des Neuen Materialismus. Zu unterscheiden ist dabei zwischen Versuchen der Restitution einer dezidiert philosophischen Ontologie (Harman, Meillassoux, Ferraris) und solchen der Rekonstruktion von Ontologien der Praxis im Sinne kulturspezifischer Seins- und Weltverständnisse. Zwei wichtige Stichwortgeber für eine Neukonzipierung der Ontologie im letztgenannten Sinne sind die Anthropologen Eduardo Viveiros de Castro und Philippe Descola, deren unterschiedliche Reformulierungen der Ontologie grundlegende Gemeinsamkeiten mit dem Neuen Materialismus aufweisen wie etwa die Kritik an Repräsentationalismus, die Betonung „flacher“ und „multinaturalistischer“ Ontologien, das Bemühen um die Herstellung von Symmetrien zwischen theoretischen und praktischen sowie westlichen und indigenen Ontologien, die Ablehnung starrer Dualismen wie Natur/Kultur, Subjekt/Objekt, materiell/immateriell etc. Ich möchte in meinem Beitrag der Frage nachgehen, ob diese Ontologien dabei helfen können, die Weltbilder prähistorischer Gesellschaften zu verstehen, ob also, mit anderen Worten, die archäologischen Quellen eine hinreichende Auflösung bezüglich der ihnen zugrundeliegenden Ontologien gestatten. Diskutiert werden sollen die dabei auftretenden methodischen Herausforderungen anhand von empirischen Beiträgen, die einen solchen Transfer herzustellen versuchen, wie beispielsweise Laurent Oliviers Übertragung einer „analogistischen“ Ontologie auf die Latènekultur.

10:00–10:30 • Sarah Bockmeyer • Places of Transformation AND Places of Remembrance. New Materialist Approaches to Different Burial Forms in the Early Neolithic Funnel Beaker Groups in Northwest Germany (3500 – 3000 BCE)

The early Neolithic Funnel Beaker groups in north-west Germany are not only known for building monumental megalithic burials, but contemporaneously buried some of their deceased in earthen burials of varying shape and form. This has so far been interpreted as a difference in status and wealth, though both types of burials have at times revealed elaborate architectural elements and large numbers of grave goods.

Using new materialist approaches in combination with studies of modes of relational personhood have revealed how the different burial forms served different functions within the transformation and remembrance of the deceased in Funnel Beaker society and furthermore allowed insights into the structure of the world within these groups.

This paper will use examples of my ongoing PhD study to demonstrate how new materialism can help understand how the world of the Funnel Beaker groups differed from our current narratives of the different forms of burial, and to enhance understanding of the roles the materials had in decision making processes in the past.

10:30–11:00 • Coffee Break

Session: Vibrant Matter(s) • Chair: Martin R. Renger

11:00–11:30 • Susan Greaney • Mapping Unequal Power Relations at Monument Complexes in Neolithic Britain

The concept of vibrant matter can apply not just to things, materials and objects, but also to places. Particular landscapes, geological features and traces of past activities can be actants, involved in relations with humans. For Neolithic monument complexes in Britain, I have found it productive to map the detail of these relations over place and time, beginning with a flat ontology that does not give humans primacy and being attendant to non-human actants, including places. These unfolding relations were often asymmetrical or unequal, and in this sense were relations of power, which can give us insights into beliefs and worldviews of Neolithic people. Monument complexes emerge as places where relations of power with other beings or things could be negotiated and worked through. However, to fully embrace post-humanism in New Materialist approaches, there needs to be acknowledgement that humans are differently involved in relations with non-human places, materials and things – and through these, with each other. Facing this challenge will allow us to think more about inequalities, asymmetries and power relations in the past. Three cases studies drawn from Neolithic Britain will illustrate these evolving ideas.

11:30–12:00 • Julia Ziener • Vitalität von Salz. Briquetage als künstlerisches Forschungsinstrument

Während Konzepte des Neuen Materialismus überwiegend theoretisch bleiben, liefert das vorliegende Projekt praktische Ansätze, wie die Vitalität (Bennett 2010)1 von Material im Rahmen einer künstlerischen Forschung ergründet werden kann.

Untersucht wurden zwei Industriestandorte Sachsen-Anhalts, an denen Salz als industrieller Rückstand in umliegende Gewässer geleitet wird. Durch einen interdisziplinären Ansatz wird das Salz in seinen historischen, kulturellen, sozioökonomischen und ökologischen Facetten kontextualisiert und als vitale Entität rekontextualisiert.

Zentrale Rolle trägt hierbei das Salzsiedewerkzeug, die Briquetage, welche die Solesalzgewinnung in der untersuchten Region auf die jungsteinzeitliche Bernburger Kultur (ca. 3100–2560 v. Chr.)2 datiert. Mithilfe von 3D-Scans wurde die 2500 Jahre alte Briquetage digital erfasst und mittels 3D-Keramikdruck reproduziert. Dieses Replikat ermöglicht einen performativen Akt, bei dem das zuvor von der Industrie abgegebene Salz aus den Flüssen extrahiert wird. Die Briquetage wird zu einem am Prozess involvierten Werkzeug, Objekt und Material, stellt somit einen „macro- and microactant“ (Bennett 2010, 23) dar und ist ebenfalls als vitaler Teil der Assemblage maßgeblich an der Wissensgenerierung beteiligt. Dies eröffnet innovative Perspektiven auf das Potenzial von archäologischen Artefakten als aktive Forschungsinstrumente. 

Das Forschungsprojekt verbindet nicht nur historische und zukunftsweisende Technologien, sondern macht die Vitalität des Salzes sichtbar. Die Erkenntnis, dass Material und materielle Praktiken die Entwicklung von Technologien beeinflussen, bildet einen wesentlichen Ansatz für zukünftige Konzepte über Materialität.

  1. Die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin und Philosophin Jane Bennett formuliert in ihrem Buch “Vibrant Matter – a Political ecology of things” das Konzept eines vitalen Materialismus, welches die theoretische Basis des vorliegenden Projektes bildet.
  2. Vgl. Museum für Vor- und Frühgeschichte, „Giebichenstein, Sachsen-Anhalt, Deutschland“, in Eisenzeit: Europa ohne Grenzen 1. Jahrtausend v. Chr., Ausstellungskatalog St. Petersburg und Moskau (St. Petersburg, Moskau, Berlin, 2020), 349–50, 349.

12:00–12:30 • Kerstin P. Hofmann, Katja Rösler, Thomas Heide • So beständig wie Stein? Zu römischer Architektur und disiecta membra

As Durable as Stone? On Roman Architecture and disiecta membra

Steine gehören zu den ältesten festen Materialien, die auf der Erde existieren, und sind grundlegender Bestandteil natürlicher, aber auch anthropogen geprägter Landschaften. Heute wird Stein häufig mit Alter, Dauerhaftigkeit, Stabilität und Beständigkeit, mitunter auch Reichtum, Zivilisation und Urbanität assoziiert. Anhand der im Rahmen des Akademielangfristvorhabens „Disiecta Membra“ untersuchten römischen Steinarchitektur wollen wir mit Ansätzen des Neuen Materialismus diese Bedeutungszuschreibungen hinterfragen und zeigen, dass römische Steinarchitektur längst nicht so unveränderbar ist, wie oft angenommen. Vielmehr ist es für die Erforschung und Edition auch sogenannter disiecta membra – verstreuter Bauglieder – von zentralem Interesse, sie nicht als stabile und statische Entitäten, sondern als beständig in Transformation befindlich. Hierfür betrachten wir römische Steinarchitektur in seinen relationalen Bestimmtheiten – dem Auswas, dem Alter, der Größe, dem Gewicht, der Form und Oberflächenfarbe – und in ihren Affordanzen für in der Neuzeit mit dieser konfrontierten Akteuren. Diese existieren nicht unabhängig, sondern sind immer an Wahrnehmungshandeln geknüpft, und bieten Möglichkeiten, unterschiedliche Intra-Aktionen zu untersuchen und Ding-Geschichten als Transformationen von Assemblagen zu erzählen. Neben der Frage, was Stein an Aktionen evoziert, soll auch das Verhältnis zu römischer Steinarchitektur und ihren Baugliedern – Weiternutzung, Aneignung, Zerstörung, (Re-)Konstruktion und Wiederaufbau – beleuchtet werden.

12:30–14:00Lunch

Session: More-than-humans • Chair: Stefan Schreiber

14:00–14:30 • Lukas Kerk • Unkörperliche Körper – Ein postanthropozentrischer Blick auf die Archäologie materiell-diskursiver Erzeugungsknoten

Mit seiner posthumanistischen und postanthropozentrischen Ausrichtung sowie einer Betonung von performativen, flachen und relationalen Ontologien wirft der Neue Materialismus die grundsätzliche Frage auf, inwiefern (post-)moderne Konzeptualisierungen menschlicher Körper insbesondere im archäologischen Zusammenhang noch Bestand haben können. Das Überschreiten von Dualismen und der transversale Charakter neo-materialistischer Denkweisen bietet dabei die Möglichkeit, neue Perspektiven auf die Körper der Vergangenheit zu eröffnen und eine Vielzahl von Fragen zu formulieren: Welche transkorporalen Verflechtungen lassen sich archäologisch nachweisen? Wie wirken das Diskursive und das Materielle bei der Hervorbringung von Körpern zusammen? Welche multiplen Realitäten entstehen durch das Zusammenspiel von Körpern und anderen Dingen im Werden? Welche Praktiken der Grenzziehung sind bei der Assemblage menschlicher, nicht-menschlicher und mehr-als-menschlicher Körper zu beobachten? Insbesondere die archäologisch nachgewiesene dauerhafte Veränderung des Körpers in Form von Tätowierungen, geformten Schädeln, modifizierten Zähnen und weiteren liefert erkenntnisreiche Anhaltspunkte für die Anwendung von Prinzipien des Neuen Materialismus. Im Rahmen des Vortrags sollen am Beispiel archäologisch evidenter permanenter Körpermodifikationen in explorativer Weise Möglichkeiten einer Neubetrachtung menschlicher Körper vor dem Hintergrund neo-materialistischer Sichtweisen dargelegt werden.

14:30–15:00 • Uroš Matić • Eyes, Reed and the Distant Goddess: Ancient Egyptian Faience Kohl Tubes as Intraactive Objects

Ancient Egyptian black eye paint (msdm.t), widely referred to as kohl (from Arabic al-kuḥl), did not serve only a cosmetic function; it was also used as a remedy for eye diseases. Around 1550 BCE, tubes for storing small quantities of kohl were made from reed, wood, ivory, and, more popularly, faience. These tubes were often inscribed with private and royal names and titles and were found in royal and elite private burials, as well as in houses. The size, shape, and decoration of the faience tubes mimicked those of reed tubes. Drawing on New Materialist thinking, I propose that the choice of reed for the original concept and faience for imitations was not accidental—it entangled matter and meaning. In a well-known and celebrated myth, the returning Sun Eye goddess descends from the mountain and emerges from the reed of the marshes of the Nile Valley. She is transformed from enraged (red) to pacified (green), much like an eye treated with kohl. Thus, kohl tubes could have been a type of intraactive objects, ensuring that the effectiveness of kohl emerged from its relationship with the shape, decoration, material, and color of the tubes.

15:00–15:30 • Coffee Break

15:30–16:00 • Shumon T. Hussain • Zoomateriality

Multispecies archaeology is a maturing strand of research, dedicated largely to the complex entanglements of humans and nonhumans diagnosed to be irreducible to mere economic, adaptive, and/or caloric imperatives and ventures. Yet I argue that animal-oriented multispecies archaeologies – or “animal archaeologies” – at present lack proper attention to, or at least a coherent formulation of, the kinds of materialities they belabor. What is required is thus a productive notion of “zoomateriality”, allowing for the problem-oriented analysis of the affordances and potentialities of action and thought relational engagements with animal bodies, body-parts, and ecosystem agencies bring into focus. Clarification of the various dimensions and possibly kinds, perhaps even types, of zoomateriality therefore promises to elucidate what the claim that other animals are active participants of human history may entail (and what not). I explore some of these ideas in relation to Palaeolithic osseous technology and visual art, showcasing that taking more serious notice of the genealogical diversity of the material as well as the distinct materiality of variegated sentient subjects can open up novel empirical, conceptual, and interpretive avenues for archaeological inquiry.

16:00–16:30 • Raphael Berger • Beyond the Critique: Reconstructing the Human in Prehistoric Archaeology from a Posthuman Perspective

Post-humanist thought has de-centred the human and shifted the focus to material things. Actor-Network Theory (ANT), a post-humanist framework, treats all entities – humans and objects alike – as actors within networks. In contrast, the modern understanding of the human emphasizes autonomy and individuality, where humans are seen as free, self-contained ‘individuals’. Archaeologists, however, excavate human remains in the form of skeletons, which are actually ‘dividuals’ made up of 206 parts. Despite these differences, both contemporary and archaeological humans are labelled with the same term, ‘human’, implying equivalence. This paper adopts a post-human perspective, shifting the focus back to ‘humans’, looking at them differently and showing the significant differences between ‘contemporary humans’ and ‘archaeological humans’. In the second, more experimental part, the paper explores how we can deal with ‘humans’ in prehistoric archaeology using Actor-Network Theory.

16:30–17:00 Preview: Archaeological Museum LEIZA • Guide: Henriette Baron

18:00–19:00 • Keynote Ben Jervis • Becoming Urban and Enduring Urbanism in Later Medieval England

Urbanisation is a defining feature of the medieval period of Europe. In this paper I will explore what it meant to be, and to stay, ‘urban’ in later medieval England, drawing on new materialist and post-human ideas to reframe debates about how we define urbanity and to understand urban life as a process of difference making. A particular focus will be the introduction of a concept of endurance to these debates. Informed by Deleuze’s writing on temporality and exhaustion, and drawing on insights from a range of ideas from across the philosophical and social sciences, I will examine the ways in which ‘enduring’ relates to multiple temporalities, power dynamics and the labour of care and framing endurance as a socio-material process important both to the generation and sustenance of urban lives.

19:00 –20:00 • Reception

20:00 • Conference Dinner


Freitag 21.3.2025, Vortragssaal, LEIZA, Mainz

Session: Approaching Assemblages • Chair: Sarah Bockmeyer

09:00–09:30 • Martin R. Renger • Social Assemblages – Nothing Else Matters? Neolithisation in Southwest Asia as a Process of Becoming

During the great transformation to sedentary life in Southwest Asia early settling communities faced various challenges. Communitization or becoming a social settlement collective is one of them. In this becoming of communities, architecture is not only a mirror or an expression of these emerging communities but is a modus of them – in other words, architecture, and in particular early Neolithic monumental architecture, plays a crucial role in the formation of collectivity in these communities. It will be shown that the process of becoming a community initially involves an immaterial-intellectual step, namely in the necessity of asserting and fixing a unity where there is actually no unity, as collectives are heterogeneous, changeable and fluid. And because this imagined unity is counterfactual, it is dependent on systems of meaning and materiality, not least on architectures, artifacts and other forms of materialization such as symbols. In this context, the material dimension plays an integral role in the relational meshwork of human and non-material entities. It frames and is framed at the same time, it shapes and is shaped, it mobilises and is mobilised and is thus an involved – both affecting and affected – part of the process of becoming social assemblages. In this light, the Southwest Asian Neolithisation and early Neolithic can be conceived, understood and analysed as a process of becoming.

09:30–10:00 • Stefan Schreiber • Zusammenleben als Soziale Ökologie: Soziale Gefüge als emergente Effekte des sozialen Weltens

Living Together as Social Ecology: Social Assemblages as Emergent Effects of Social Worlding

Betrachtet man das Zusammenleben vor dem Hintergrund des Neuen Materialismus, ergeben sich deutlich andere Perspektiven. Der Neue Materialismus fokussiert auf Fluidität, Relationalität und Offenheit der Welt, die sich fortschreitend weiter konfiguriert. Dies geschieht durch grenzziehende, intra-aktive Praktiken (Barad), die ich in meinem Vortrag mit dem Prozess des Weltens (Haraway) zusammenbringen möchte. Dieses Welten ist immer zugleich grenzziehend und transversal, semiotisch und materiell. Als emergente Effekte entfalten sich hieraus mehr-oder-weniger-menschliche Akteur*innen, die sich in menschlichen, tierischen, pflanzlichen und dinglichen Instanzen materialisieren. Im wechselseitigen Welten bilden sich daraus komplexe Soziale Gefüge bzw. assemblages (Deleuze & Guattari, DeLanda).

In meinem Vortrag möchte ich Soziale Gefüge als theoretisches Angebot skizzieren, um Modi des Zusammenlebens zu thematisieren, die bisher als Gesellschaft, Gemeinschaft oder auch als Individuen verstanden wurden. Das Zusammenleben als ein „Miteinander-Werden“ Sozialer Gefüge mittels ihres Weltens möchte ich im Anschluss als Soziale Ökologie verstehen. Mein Beitrag soll als erster Schritt für einen integrativen sozialarchäologischen Ansatz dienen, der die Ansätze des Neuen Materialismus auslotet, statt sich auf Strukturanalysen zu beschränken. Dieser soll für die archäologische Forschung fruchtbar gemacht werden.

10:00–10:30 • Alessandra Manzini, Anne Hertzog, Stefano Biagetti • New Materialism in Cross-cultural Ethno-Archaeology: A Reframing of Matter and Agency Applied to Spiritual Landscapes

Drawing on the ongoing SPIRAL project, which aims to develop a cross-cultural study of spiritual landscapes and ‘sacred forest’ management practices, this paper seeks to contribute to the debate by highlighting key challenges identified during the methodological design process at the intersection of cross-cultural studies and new materialist approaches to empirical research. Following Haraway’s invitation to “stay with the troubles,” the paper addresses epistemological issues encountered when working with eHRAF archives. By examining regularities and behavioral patterns through quantitative methods, cross-cultural studies challenge the particularistic interpretations often employed by archaeologists. These studies seek to build a general model based on common patterns identified in ethnographically studied societies across various geographical contexts available in eHRAF. This paper operates at the intersection of quantitative ethnoarchaeological big data analysis and qualitative fieldwork methods, aiming for internal consistency in the research design.

Sacred forests, often considered merely cultural symbols or ecological spaces, are reinterpreted through the lens of new materialism as vibrant, active agents in human-nonhuman interactions, shaped by diverse cosmologies and spiritual practices. The term “sacred,” as referenced in the eHRAF literature, is particularly problematic due to its dualistic semantic connotations, which risks oversimplifying the complex relationships between humans and nonhuman entities. A multi-species approach and performative fieldwork will be applied to the study of forest management in selected case studies based on the premise that humans are part of a broader community of beings, which includes not only plants and animals but also ecological elements. This perspective challenges anthropocentric views of forest management by emphasizing the agency of nonhuman actors. Such a reframing raises new questions about the agency of things and the evolving entanglements between humans, nonhumans, and the material world, both in past and present landscapes.

Key questions that emerge from this transformative approach include: can past ethnographic records be reinterpreted through the lens of new materialism? How can we address anthropocentric biases in existing interpretations? What are the main differences and similarities between traditional material culture studies and those based on new materialism? And, how might the interpretation of sacred forest management practices and spiritual landscapes evolve through this new perspective?

10:30–11:00 • Coffee Break

11:00–11:30 • Sabine Neumann • Mehr als Kunst – Neomaterialistische Perspektiven für die Klassische Archäologie

Der Begriff der Kunst spielt in der Klassischen Archäologie nach wie vor eine wichtige Rolle im Selbstverständnis des Faches. Begründet in der kunsttheoretischen Debatte des 18. Jahrhunderts, in der die Eigensphäre der Kunst als eine allen äußeren Zwecken enthobene deklariert wurde, hat er sich im Lauf der Zeit innerhalb des Faches mehrfach gewandelt und Eingang in Theorieverständnis und Methodik gefunden. Im Rahmen dieses Vortrags wird gefragt, wie das durch den neuen Materialismus angeregte, veränderte Dingverständnis die klassisch-archäologische Forschung und ihren Kunstbegriff beeinflussen kann. Posthumanistische, neomaterialistische Perspektiven bieten die Möglichkeit einer offeneren, dynamischen Interpretation, die nicht auf menschliche Akteur*innen allein festgelegt ist. Ferner stellen sie traditionell westliche Denkweisen und Dichotomien in Frage, indem sie neue Formen des Zusammenlebens der Menschen in ihrer Umwelt und mit den sie umgebenden Dingen ausloten. In Hinblick auf die antike Kunst soll daher untersucht werden, inwieweit ein Kunstwerk nicht mehr durch innere ästhetische Eigenschaften, Authentizität oder die Person des Künstlers definiert, sondern durch Relationen mit seiner Umwelt hervorgebracht werden kann.

11:30–12:00 • Martin Nadarzinski • Die Museumssammlung zwischen Ruine und Assemblage. Neuer Materialismus und (post-)koloniale Provenienzforschung

Die Frage nach der Herkunft der Dinge in ethnographischen Sammlungen hat seit mehreren Jahren Konjunktur. Hierbei steht die Frage im Raum, wie mit dem kolonialen Erbe in deutschsprachigen Museen umzugehen ist, welches sich auch über die ehemaligen „völkerkundlichen“ Beständen hinaus in anderen Sammlungsinstitutionen finden lässt. 

Mit diesem Hintergrund beschäftigt sich der geplante Vortrag mit den theoretischen Besonderheiten der Untersuchung des kolonialen Erbes in ethnographischen Museumsammlungen. Innerhalb dieses Feldes liegt der Fokus oftmals auf einzelne Objekte oder gleichartige Konvolute. Demgegenüber stehen theoretische Ansätze, die die Museumsammlung als Netzwerk zwischen Menschen, Ding und Praxis versteht und analysiert, welche im Fokus des Vortrages stehen.

Um diese theoretischen Besonderheiten zu beschreiben, wird die Geschichte der ethnographischen Sammlung des Badischen Landesmuseums als deskriptiver Rahmen herangezogen. 

Diese Sammlung, begründet als Teil der großherzoglichen vereinigten Sammlung für Altertums- und Völkerkunde und 1919 in das neu gegründete Badische Landesmuseum übergegangen firmiert heute noch in Überresten in der Sammlung „außereuropäische Kulturen“ bzw. „WeltKultur/GlobalCulture“ in Karlsruhe. 

Die Besonderheiten dieser Transformationsprozesse stellen den Rahmen da, indem Auswirkungen der theoretischen Perspektive des neuen Materialismus auf das Phänomen der Museumssammlung untersucht und vorgestellt werden.

12:00–13:30Lunch

Session: (Dis)Entangling Objects and Categories • Chair: Sabine Neumann

13:30–14:00 • Merlijn Veltman • (Dis-)Assembling Typologies? Revisiting the “Dolphin-Amphora Earrings” from Funerary Contexts

The “dolphin-amphora earrings”, found in funerary contexts in Bactria (Central Asia) from 200 BCE – 100 CE, have traditionally been considered through cultural and processual lenses. They have become part of an archaeological typology, in which they are grouped together on the basis of their morphological features (i.e. an amphora-like body with dolphin handles). This has had major repercussions for their interpretation in funerary contexts. Invariably, the earrings are placed into representational categories: “Greek” or “elite”. The burials they are found in are interpreted through similar frameworks. However, typologies are only one part of the assemblage that is each distinct “dolphin-amphora earring”. Crucial differences in the form of each dolphin-amphora earring point towards diachronic relations pervading their assemblages.

This paper addresses the problematic nature of the restrictive typology imprinted upon these earrings. Using assemblage thought as a theoretical framework, this contribution will revisit the earrings as assemblages, laying bare the multiple-object that is the “dolphin-amphora earring”. From this perspective, novel, diachronic interpretations of the earrings as more-than-representative and more-than-typological emerge that provide invaluable knowledge of the earrings’ funerary context and Bactria as a whole in 200 BCE – 100 CE.

14:00–14:30 • Matthias Grawehr • My Precious, or, The Power of Beloved Things

The world of people and the world of things are bound by reciprocal forces. People affect things, but things also affect people.

In my presentation, I will address two objects that once held special meaning to individuals. It is well understood that people can imbue things with sentimental value; objects can connect humans with distant pasts, people, or places, opening up worlds of memories. Emotional bonds are thus an important dimension of human-thing relationships. Fortunately, there are often indications of past emotional connections. Through inscribing, continuous use, patching and above all, curation, humans take possession of things and make these emotional attachments intellegible to posterity. Conversely, beloved objects can also impact human lives. In my presentation, I will detail two Athenian vases were once given as gifts, as revealed by incised inscriptions. These objects have also been curated and were presumably cherished. Their respective decorations convey stereotypical concepts of the life of a young Athenian woman, challenging the recipient to emulate this vision of an ideal biography.

14:30–15:00 • Monika Zöller-Engelhardt • Of Categories and Concepts – New Approaches to ‘Small Finds’ from Ancient Egypt

So-called ’small finds‘ are an intrinsically interesting category of archaeological objects: the term usually covers small objects such as scarabs, figurines or tools – but reaches its limits with object types such as pottery and parts of pottery, small fragments of larger objects, reused items, micro debris or unworked objects that have evidently been used by humans. Researchers in the field of Ancient Studies make many prior assumptions about the ‘small finds’ found in excavations and museums, and have so far attempted to typologise them according to traditional classifications such as location, material or form, and to assign a basic function to each of them, often mixing formal criteria and interpretation. This approach is clearly inadequate. It leads to subjective, etic and ultimately biased classifications that obstruct our view of connections and functional interdependencies of ‘small finds’.

The presentation will first explore the scientific history of the classification of ‘small finds’ and will then propose a new definition. Taking the category of ancient Egyptian wooden funerary models as an example, focusing on figures and model tools, traditional Egyptological approaches to establishing classifications will be deconstructed to develop alternative concepts, drawing on the autological and heterological dimensions of “figures of aesthetic reflection” (Gerok-Reiter/Robert 2022), but extending the notions to include considerations of affordance and New Materialism. This change of perspective aims to break down the categorisation patterns imposed by modern research and to gain new insights into the functional diversity of these objects.

14:30–15:00 • Final Discussion

15:00 • Optional Excursion • Isis and Magna Mater Sanctuary


Venue
Leibniz-Zentrum für Archäologie
Ludwig-Lindenschmit-Forum 1
55116 Mainz
Germany

Organization
Sarah Bockmeyer (EXC ROOTS, Kiel)
Sabine Neumann (MCAW, Marburg)
Stefan Schreiber (LEIZA, Mainz)

Registration
service@leiza.de until 10th March 2025

Contact
If you have questions or comments?
E-mail: stefan.schreiber[ät]leiza.de

Kurzer Tagungsbericht “Archäologische Schulsammlungen: gestern – heute – morgen“

Ein Gastbeitrag von Judith Schachtmann

Teilnehmende der Tagung “Archäologische Schulsammlungen: gestern – heute – morgen“ im Leibniz-Zentrum für Archäologie in Mainz

Wie wenig bislang über archäologische Schulsammlungen bekannt ist, zeigte die zweitägige Tagung im Mainzer Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) vom 15. bis 16. November 2024. Ausgerichtet von der AG Wissenschaftsgeschichte der AG Theorien in der Archäologie und dem LEIZA, präsentierten dreizehn Referentinnen und Referenten aus Deutschland und Österreich ihre Forschungsergebnisse. Neben historischen Darstellungen zur Entstehung von Schulsammlungen in Sachsen, Schlesien, Ostpreußen, Tirol und der Stadt Halle, wurden Beispiele zur heutigen Vermittlungsarbeit von archäologischen Sammlungsobjekten vorgestellt. Wie archäologische Erkenntnisse zukünftig in die Lehrer*innenausbildung und in den Schulalltag einbezogen werden könnten, veranschaulichten weitere Beiträge. Ein Highlight war der Abendvortrag Thomas Todes zum Thema Vorgeschichte im Schulfunk der späten 1920er und frühen 1930er Jahre. Anhand des Hörstücks „Haithabu, die alte Wikingerstadt“ (1929) des Kieler Vorgeschichtlers und Reichsbundmitgliedes Alfred Tode (1900–1996) für die Nordische Rundfunk AG (NORAG), das zu den ältesten erhaltenen Radioaufnahmen gehört, wurde die Dramaturgie und Wirkung der damaligen Hörspiele dargestellt. Reger fachlicher Austausch zwischen den einzelnen Vorträgen rundete die Tagung ab.

Programm „From Different Worlds – Interdisziplinäre Kombination und Adaption von Theorien in den Altertumswissenschaften“

Gemeinsamer Workshop des Instituts für Altertumswissenschaften, des Profilbereichs „40,000 Years of Human Challenges“ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Workshop-Reihe der AG TidA „Theory in Practice“

Ort: Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Fakultätssaal im 7. Stock der Naturwissenschaftlichen Fakultät, Johann-Joachim-Becher-Weg 21 (Campusgelände), 55128 Mainz
Datum: 31.01.–01.02.2025
Organisation:
Dr. Monika Zöller-Engelhardt (IAW | Ägyptologie, JGU Mainz)
Dr. Sarah Scoppie (LAD Regierungspräsidium Stuttgart)
Dr. Stefan Schreiber (Theoretische Archäologie, LEIZA, Mainz)
Tina Beck, M.A. (Ägyptologie, FU Berlin)

Der Workshop ist an ein Barcamp-Format angelehnt: Am ersten Workshop-Tag führt eine Keynote-Lecture in die Thematik ein, danach werden in 20-minütigen Vorträgen Herangehensweisen, bestpractice-Beispiele sowie Herausforderungen in der theoriegeleiteten Forschung präsentiert und mit dem Plenum diskutiert. Am zweiten Workshop-Tag bestimmen die Teilnehmerinnen selbst, zu welchen Aspekten vertiefender Input und Austausch gewünscht wird – in Kleingruppen werden dann konkrete Ansätze diskutiert, weiterentwickelt und „erprobt“. Am Nachmittag des zweiten Tages führen die Teilnehmerinnen ihre Ergebnisse wieder zusammen.
Wir laden alle Interessierten hierzu herzlich ein und insbesondere den zweiten Workshop-Tag aktiv mitzugestalten.

Die Teilnahme-Anmeldung ist bis 26.01.2025 per Email möglich: differentworlds@uni-mainz.de


PROGRAMM

Freitag, 31.01.2025

09:00 • Ankommen und Kaffee
09:30 • Begrüßung & Einleitung
09:45 • Keynote • Kerstin P. Hofmann (Frankfurt a.M.) • Kreatives ÜberSetzen? Zur (Weiter-)Entwicklung von Theorien und Konzepten aus Sicht einer prähistorischen Archäologin
10:30 • Raphael Berger (Basel) • Soziale Welten: Verflechten von Netzwerk-Theorien à la Posthumanismus
11:00 • Kaffeepause 
11:30 Mirja Biehl (Marburg)Grenzen und Potential der Anwendung von Theorien der Cognitive Science of Religion auf die Griechische Religion
12:00 Matthieu Götz (Berlin) Vernetzte Bilder
12:30Susanne Deicher (Wismar) Auerbachs Keller. Über die unerwartete Aktualität eines literaturwissenschaftlichen Ansatzes der 1930er Jahre für die Ägyptologie
13:00 • Mittagspause
14:30 Sabine Neumann (Marburg) Das Konzept des Social Imaginary und seine Adaption für die Untersuchung von antiker Religion
15:00 Johannes Bach (Würzburg) Geschichts- und Historiographietheorien als Chance für die Assyriologie
15:30 • Kaffeepause
16:00 Shumon T. Hussain (Köln) (Kybernetische) Makro-Archäologie der Technosphäre(n)
16:30 Stefan Schreiber (Mainz) Parasitäre Theorien oder interdisziplinäre Solidarität? Zu Mikropolitiken „archäologischer“ Theoriearbeit im Rahmen einer Eigenbeobachtung
17:00 Abschluss und Organisation der Barcamps

Samstag, 01.02.2025

09:30Ankommen und Kaffee
10:00Begrüßung, Einleitung und Organisation der Barcamps
10:20Spotlight 1: Monika Zöller-Engelhardt (Mainz)
10:30Barcamp-Runde 1
12:00Mittagspause
13:30Spotlight 2: Tina Beck (Berlin)
13:40Barcamp-Runde 2
15:10Vorstellung der Ergebnisse der Barcamp-Runden
15:45Abschlussdiskussion


ABSTRACTS

Kreatives ÜberSetzen? Zur (Weiter-)Entwicklung von Theorien und Konzepten aus Sicht einer prähistorischen Archäologin

Kerstin P. Hofmann, Römisch-Germanische Kommission Frankfurt a. M.

Aus Perspektive einer in verschiedenen Verbundforschungsprojekten arbeitenden prähistorischen Archäologin soll in diesem Beitrag der Umgang mit Theorien und Konzepten und ihre (Weiter-)Entwicklung thematisiert werden. Hierfür wird zunächst diskutiert, inwiefern wir es in den Altertumswissenschaften mit zahlreichen „different worlds“ nicht nur in Bezug auf Disziplinen zu tun haben; wobei die Fragen, was eigentlich fremd, anders und eigen bedeutet und vergleichbar ist, eine wichtige Rolle spielen. Danach soll der Blick auf Theorien und ihre Mobilität gelenkt werden: Was wird hierunter alles verstanden und was zeichnet diese aus? Anschließend werden verschiedene Arten des Transfers und der Transformation von Theorien sowie mögliche Ansätze, Vorgehensweisen und Hilfsmittel vorgestellt. Hierbei stellt sich auch immer wieder die Frage, wieviel Kreativität und Innovation, wieviel Reflexion, Prüfung und Rückbindung bzw. Einbettung gewünscht ist bzw. als notwendig betrachtet wird. Sich zwischen Universalität und Diversität bewegend wird dabei für ein wissensgeschichtlich fundiertes und dialogisches ÜberSetzen von Theorien und Konzepten plädiert.


Soziale Welten: Verflechten von Netzwerk-Theorien à la Posthumanismus 

Raphael Berger, Universität Basel

In den vergangenen Jahrzehnten sind in verschiedenen Disziplinen Netzwerkideen entwickelt und auf unterschiedliche Weisen angewandt worden. Einige dieser Ideen sind explizit posthumanistisch, dezentrieren den Menschen und können dadurch den Fokus auf Dinge, die Quellen der prähistorischen Archäologie, verschieben. Im Rahmen meiner Dissertation werde ich Ideen der Akteur*innen-Netzwerk-Theorie1 mit sog. Sozialen Netzwerkanalysen verflechten und dadurch eine konkrete Methodik entwickeln, um Soziale Welten in der unteren Thunerseeregion und über die Alpen hinweg zu untersuchen. So sollen Fragen nach sozialer Zugehörigkeit, Formen sozialer Ungleichheit und Differenzierung in der Siedlungs- und Bestattungsweise aus einer posthumanistischen Perspektive diskutiert und zentrale Begriffe für die prähistorische Archäologie neu konzeptualisiert werden. 

Das vom SNF geförderte Projekt startet im Oktober 2024 und im Rahmen des Workshops sollen erste konzeptuelle Entwürfe zur Diskussion gestellt werden.

  1. Der Begriff des Akteur*innen-Netzwerks wurde explizit für die Benennung archäologischer Akteur*innen entwickelt (Publikation in Vorbereitung) ↩︎

Grenzen und Potential der Anwendung von Theorien der Cognitive Science of Religion auf die Griechische Religion

Mirja Biehl, Philipps-Universität Marburg

In meinem Vortrag will ich kritisch hinterfragen, inwieweit bestimmte Theorien aus der Cognitive Science of Religion (CSR) auf die Forschung zu griechischer Religion, spezifischer auch zum Verhältnis von Natur und Kult in der griechischen Religion als Teil meiner Dissertation in der Klassischen Archäologie angewendet werden können. Dabei soll untersucht werden ob Theorien wie Minimally counterintuitive concepts (MCI) und Hyperactive agency detection (HAD) überhaupt auf antike bzw. griechische Religion (Heiligtümer, Kulte und Gottheiten) übertragen werden können, ob sie einen Beitrag zum Verständnis antiker Religion und der Erklärung überlieferter Phänomene liefern und auch ob es nötig bzw. möglich ist Veränderungen, Erweiterungen oder Einschränkungen der Modelle und Theorien spezifisch für antike bzw. griechische Religion vorzunehmen.


Vernetzte Bilder

Matthieu Götz, Freie Universität Berlin

Anhand des Entwurfs für eine Methode zur Rekonstruktion teilweise zerstörter Malereien in einem kürzlich freigelegten Mastabagrab in Dahschur/Ägypten soll gezeigt werden, dass sich strukturalistische Methoden für die Archäologie produktiv nutzen lassen. Anders als bei der von Claude Lévi-Strauss für die Sozialanthropologie entwickelten Strukturalen Anthropologie – die in den 1970er und 1990er Jahren versuchsweise auf archäologische Untersuchungen übertragen wurde – werden im hier vorgestellten Ansatz auch ontologische Analysen und spezifische (kulturelle) Verflechtungen berücksichtigt. Über die so erfolgte Einordnung der noch erhaltenen Malereien der Mastaba soll versucht werden, Aussagen über die nicht mehr vorhandenen Teile der Dekoration zu treffen.


Auerbachs Keller. Über die unerwartete Aktualität eines literaturwissenschaftlichen Ansatzes der 1930er Jahre für die Ägyptologie 

Susanne Deicher, Hochschule Wismar

Philippe Descolas Buch Les Formes du Visible. Une anthropologie de la figuration (2021) liegt Erich Auerbachs Aufsatz Figura (1938) titelgebend zugrunde. Unter „Figuration“ ist demnach nicht etwa das Gegenteil von abstrakter Kunst zu verstehen, sondern vielmehr eine aus dem antiken Konzept der ‚Gestalt‘ (Figura, Typos) entwickelte Kunst der Rhetorik und der „Figuraldeutung“ (Auerbach), aus der im Spätmittelalter ein Konzept des Kunstwerks als quasi-lebendiger, sprachbegabter Gestalt entstand. Die vier verschiedenen Typen einer „Ontologie“, die Descola in Par-delà nature et culture (2005) skizziert hatte, möchte der Autor aus den Kunstwerken der Kulturen der Welt deutend zurückgewinnen, wobei das Prinzip eines virtuellen Eigenlebens der Werke Beachtung findet.

Für die Ägyptologie ist dieser Entwurf einer Weltkunstgeschichte von großem Interesse. Mithilfe der von Descola vorgeschlagenen semiotischen Methodik kann, wie an einem Beispiel gezeigt werden soll, die im Fach lange hilfsweise als „Hieroglyphizität“ (H.W. Müller, Assmann, u.a.) etikettierte Sprachnähe vieler Kunstwerke präzise gefaßt und im Sinne einer Bildrhetorik gedeutet werden. 


Das Konzept des Social Imaginary und seine Adaption für die Untersuchung von antiker Religion 

Sabine Neumann, Marburger Centrum Antike Welt, Philipps-Universität Marburg

Wie lassen sich für eine multikulturell vorgestellte Antike Veränderungen in religiösen Praktiken und Vorstellungen in den sich wandelnden sozialen und historischen Gegebenheiten untersuchen? Wie verändern religiöse Akteur:innen durch ihr Handeln und speziell durch Institutionalisierungen ihre Gesellschaft(en)? Wie ‚konstruieren‘ wir, als heutige Forschende, antike Religion und produzieren dabei Prozesse der Orientalisierung im griechischen Kontext? 

In meinem Vortrag möchte ich das von dem Philosophen Cornelius Castoriadis geprägte Konzept des Social Imaginary vorstellen, um die fluide Natur antiker Religion zu beschreiben, indem über unidirektional gedachte Machtprozesse hinausgewiesen wird und stattdessen die kreativen Aspekte in interkulturellen Verflechtungen zwischen verschiedenen Kulturen und Gesellschaften erfasst werden. Das Imaginäre wird dabei als ein unabhängiger und konstitutiver Teil der sozialen Wirklichkeit vorgestellt und im Sinne Castoriadis’ als Hervorbringung von Sozialem verstanden. 


Geschichts- und Historiographietheorien als Chance für die Assyriologie

Johannes Bach, Julius-Maximilians-Universität Würzburg

In den mesopotamischen Altertumswissenschaften haben sich, nach dem Auslaufen der letzten größeren fachinternen Diskussion des Themas vor ca. 20 Jahren, theoretische Zugänge zu Geschichte und Geschichtsschreibung bisher nicht fest etablieren können. Bei der Betrachtung assyriologischer „Definitionen“ etwa von Geschichtsschreibung fällt auf, dass viele Forscher*Innen sich oft auf nur ein oder ein paar definierende Merkmal konzentrieren, und das anstehende Material entsprechend filtern. Ohne einen theoretisch-methodologischen Unterbau, zudem auch die selbstkritische Analyse des eigenen „Geschichtenschreibens“ gehören muss, bleiben solche subjektiv bis manchmal naiven Ansätze wenig ergiebig. Gleichfalls finden sich immer noch rekonstruktionistische Geschichtsansätze, ebenso wie ein nur geringes Bewusstsein für die Tropologie der darstellenden Sprache oder die problematische Projektion des modernzeitlichen „Kollektivsingulars“ Geschichte auf alteritäre antike Kulturen. Ich möchte eine Reihe von Theorieansätzen vorstellen, mit denen die Verhältnisse in der Assyriologie vielleicht nicht sofort grundlegend reformiert, aber hoffentlich kontinuierlich hin zu einer größeren Bewusstheit der Problematiken verändert werden können. 


(Kybernetische) Makro-Archäologie der Technosphäre(n)

Shumon T. Hussain, MESH – Multidisciplinary Environmental Studies in the Humanities & Institut für Ur- und Frühgeschichte, Universität zu Köln

Im Brennglas gegenwärtiger Anthropozän-Diagnosen geht in den letzten Jahren unter dem Stichwort „Technosphäre“ ein Gespenst umher. Dieses Gespenst, auch wenn es die archäologische Forschung bisher kaum tangiert hat, droht eingeübte Gewissheiten und Vorgehensweisen zur Erforschung von Langzeitentwicklungen technisch-materieller Welten und deren Relevanz – angeblich eine Kernkompetenz archäologischer Fächer – bis aufs Mark zu erschüttern, ja teilweise sogar ad absurdum zu führen. Das hat zwei wesentliche Gründe: zum einen wirft der „tiefenzeitlich-geologische“ Zuschnitt von Technosphären die Frage nach Scale, Scope und Stratigraphie radikal neu auf und fordert eine ernstgenommene „makroarchäologische“ Perspektivierung ein; zum anderen insinuiert das Konzept eine gewisse, wenn auch historisch-situierte „Fremdaktivität“ technisch-materieller Totalitäten und wirft so das Problem von Komplexität, Pfadabhängigkeit und Selbstorganisation neu auf. Für die Archäologie birgt diese Perspektivenverschiebung erhebliches transformatives Potenzial, verspricht aber gleichzeitig einen zentralen und genuin archäologischen Beitrag zu einem wesentlichen Thema unserer Zeit.


Parasitäre Theorien oder interdisziplinäre Solidarität? Zu Mikropolitiken „archäologischer“ Theoriearbeit im Rahmen einer Eigenbeobachtung

Stefan Schreiber, LEIZA Mainz

Meist treffen in Vorbereitung und Durchführung archäologischer Theoriearbeit Haltungen des disziplinär Defizitären (in der Archäologie könne nicht bewiesen, niemand befragt werden) auf Haltungen des eigenen Defizitären („Muss ich jetzt alle theoretischen Aspekte anderer Disziplinen kennen, wie soll ich das auch noch leisten?“). Um dieser Haltung zur Perfektion und Vollständigkeit entgegenzuwirken, möchte ich Theoriearbeit nicht als einen geplanten Entwurf einer konsistenten Theoriearchitektur beschreiben, sondern den Blick auf vielfältige Mikropolitiken ko-konstitutiver und kollaborativer Theoriearbeit lenken. Solchen Mikropolitiken folgen nicht immer logisch-rationalen Intentionen und Gründen sowie disziplinären Erfordernissen, sondern sind durchzogen von einem Feld wechselseitiger Entscheidungen, Stimmungen, Poetiken und Affekte unterschiedlicher Ko-Akteur*innen. Sie spannen ein Feld auf, das ich einerseits mit Michel Serres’ Figur des Parasitären, andererseits mit einer Haltung interdisziplinärer Solidarität umreißen möchte.

„Der Neue Materialismus ermöglicht eine gesamtheitliche Überholung unserer Interpretation der Vergangenheit; es handelt sich um ein Paradigmenwechsel für die Archäologie.“

Ein Gastbeitrag von Elena Dratva

Dr. Stefan Schreiber ist theoretischer Archäologe am Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) in Mainz, das zweitgrößte Forschungsinstitut für Archäologie in Deutschland. Mit Denkansätzen aus der theoretischen Strömung des „Neuen Materialismus“ sieht er Chancen für sein Fach. Im März 2025 ist zum Thema „Die Dinge einmal anders betrachten – Neuer Materialismus in der Archäologie“ erstmals eine Tagung im deutschsprachigen Raum angesetzt.

Ausgehend von der posthumanistischen Kritik am Anthropozän, die den rücksichtlosen Umgang des Menschen mit seiner Umwelt verurteilt, werden seit den 1980er Jahren Denkmodelle entwickelt, um die Hierarchien zwischen Menschen und Umwelt zu ebnen. Der Neue Materialismus ist eine Denkschule, die die Beziehung des Menschen zu Technologie, Natur und Umwelt neu interpretiert; das Verständnis von Gesellschaft wird ausgeweitet auf nicht-menschliche Partizipanten. Nach dieser Auffassung haben Pflanzen, Tiere und nicht-lebendige Gegenstände ihre eigene Wirkmacht und Teilhabe an gesellschaftlichen Strukturen und Phänomenen. Diesen nicht-menschlichen Akteuren wird ein „Eigenleben“ oder auch ein „Eigenwillen“ eingeräumt, den es mitzudenken gilt.

Stefan Schreiber nennt das Beispiel einer Grabungsstätte in Sachsenhausen, Oranienburg. Im Boden des ehemaligen Konzentrationslagers könnten gefährliche Überreste von medizinischen Experimenten sein, daher ist besondere Vorsicht geboten bei der Ausgrabung. „Plötzlich wirkt der Boden nicht wie ein passives, totes Feld, sondern eine leibhafte Bedrohung – der Boden wirkt als Akteur mit und beeinflusst, wie wir ihn untersuchen können.“ Genau diese Art und Weise, Einfluss zu nehmen, ist gemeint, wenn von Wirkmacht oder Eigenwillen der Dinge die Sprache ist. Aber es gibt auch banalere Beispiele aus dem Alltag. „Wer hat seiner Katze, seinem Auto noch keinen Namen gegeben?“, sagt Stefan Schreiber. „Die Dinge und nicht-menschlichen Akteure nehmen genauso Teil an uns wie wir an ihnen.“

Ein veränderter Kultur- und Realitätsbegriff könnte sich massiv auf archäologische Fragestellungen und Resultate auswirken, zumal materielle Überreste von menschlichen Leben im Zentrum der Untersuchungen stehen. Im Rahmen der geplanten Tagung möchte Schreiber den Neuen Materialismus als Werkzeug benutzen, um überholte Herangehensweisen langfristig umzudenken. Denn die Archäologie, ebenso wie verwandte Fächer der Ethnologie und Kulturanthropologie, fußt auf wissenschaftlichen Traditionen aus einer kolonialen und imperialen Vergangenheit. Mit seinen Ambitionen trifft Schreiber durchaus auf Widerstände im Kollegium. Unter anderem befürchten Archäolog:innen, dass kritische Denkansätze ihre erlernten Praktiken als obsolet erscheinen lassen. Alle Grundsätze über den Haufen zu werfen, sei aber keineswegs sein Ziel, betont Schreiber. Ihm sei nur wichtig anzuerkennen, dass verschiedene Zugänge zu Fragestellungen bereichernd seien, und wünsche sich mehr Experimentierfreudigkeit.

Die jüngeren Entwicklungen stimmen ihn dennoch hoffnungsvoll, dass sein Fach zu aktuellen und politisch relevanten Fragen beitragen kann. Wenn es darum geht eine Zukunft zu entwerfen, die weniger zerstörerisch für Mensch und Umwelt ist, kann die Archäologie Inspiration liefern: „Das Schöne an der Archäologie ist, dass sie keine Utopien schreibt, sondern Beweise liefert für Gesellschaftsmodelle, die schonmal ganz anders funktioniert haben.“

Der Gastbeitrag basiert auf einem Interview, geführt von Elena Dratva mit Stefan Schreiber am 25. September 2024 in Mainz

Tagung „Archäologische Schulsammlungen: gestern, heute und morgen“

Tagung der AG Wissenschaftsgeschichte der TidA gemeinsam mit dem Leibniz-Zentrum für Archäologie am 15.–16. November 2024 in Mainz

Mit dem wachsenden Interesse und der zunehmenden Professionalisierung der Archäologie Ende des 19. Jhs. und zu Beginn des 20. Jhs. (Klassische, Provinzialrömische, Prähistorische Archäologie) entstanden in Deutschland erste archäologische Schulsammlungen. In der Nachkriegszeit gerieten sie, im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen Schulsammlungen, zunehmend in Vergessenheit.

Trotz ihrer Bedeutung für die unterschiedlichen pädagogischen Konzepte im schulischen Umfeld sind in der Regel nur allgemeine Informationen über Schulsammlungen bekannt. Es fehlen vor allem detaillierte Aussagen zur Entstehung der Schulsammlungen bspw. wie, wann und von wem sie angelegt wurden und welchen Sammlungsschwerpunkten sie folgten. Welchen Themen und Inhalten widmeten sich die zahlreichen Schulausstellungen und welche Rolle nahmen die Schulsammlungen ein? Des Weiteren ergeben sich in diesem Zusammenhang Fragen nach dem Herstellungsort und der Herstellungsweise von Nachbildungen bzw. Modellen sowie deren Nutzung im Unterricht. Ebenso unklar ist auch, ob und wo sich die zahlreichen Sammlungen erhalten haben und welchen (Sammlungs-)Wert sie heute noch besitzen. Diesen und weiteren damit einhergehenden Themen widmet sich die Tagung.

TAGUNGSORT
Leibniz-Zentrum für Archäologie, Vortragssaal, Ludwig-Lindenschmit-Forum 1, D–55116 Mainz

ORGANISATION
Judith Schachtmann M. A. (LDA, Berlin)
Dr. Annette Frey (LEIZA, Mainz)
Dr. Jörg Drauschke (LEIZA, Mainz)
Reena Perschke M. A. (Berlin)

PROGRAMM

Freitag 15.11.
9:30 – 9:40 Uhr
Begrüßung: Organisationsteam

9:40 – 10:00 Uhr
Judith Schachtmann/Reena Perschke (Berlin): Archäologische Schulsammlungen – eine kurze Einführung

Moderation: Jörg Drauschke

10:00 – 10:30 Uhr
Miriam Sénécheau (Freiburg): Vom Original zum virtuellen Raum: Die „Replikensammlung Geschichte und Archäologische Sammlung Punin“ der Pädagogischen Hochschule Freiburg

10:30 – 11:00 Uhr
Matthias Baumann (Freiburg, online): Geschichtsvermittlung mit interaktiven Medien und Virtual Reality

11:00 – 11:30 Uhr – Pause

Schulsammlungen gestern

11:30 – 12:00 Uhr
Markus Walz (Leipzig): Forschende Lehrer, grabende Schüler zwischen Museums- und Schulgeschichte

12:00 – 12:30 Uhr
Tom Gärtig/Thomas Grunewald (Halle): Die „Antiquitäten“ in der Kunst- und Naturaliensammlung der
Franckeschen Stiftungen – eine unbekannte Sammlungsgeschichte

12:30 – 14:00 Uhr – Mittagspause

Moderation: Judith Schachtmann

14:00 – 14:30 Uhr
Reena Perschke (Berlin): Vorgeschichte in den Geschichtsunterricht – historische Grundlagen für Schulsammlungen mit Beispielen aus Schlesien

14:30 – 15:00 Uhr
Heino Neumayer (Berlin): Schulsammlungen in Ostpreußen. Auf der Suche nach der verlorenen Archäologie

15:00 – 15:30 Uhr – Pause

15:30 – 16:00 Uhr
Annette Frey (Mainz): Kopien und Modelle aus dem RGZM in Schul- und anderen Sammlungen

16:00 – 16:30 Uhr
Florian Martin Müller (Innsbruck): Archäologische Sammlungen an geistlichen Schulen in Nord- und Südtirol Archäologie und Unterricht

16:40 – 17:20 Uhr
Thomas Tode (Hamburg): „Deutsche Vorgeschichte im Schulfunk“. Alfred Todes archäologische Hörspiele 1929–1933 (mit Hörbeispielen)


Samstag 16.11.
Schulsammlungen heute und morgen

Moderation: Reena Perschke

09:30 – 10:00 Uhr
Bernd Wagner (Leipzig): Historisches Sachlernen in schulbezogenen Sammlungen

10:00 – 10:30 Uhr
Juliane Lippok (Berlin): Die Dauerausstellung Schulgeschichte:n. Neue Vermittlungsansätze im Kulturhistorischen Museum Magdeburg

10:30 – 10:45 Uhr – Pause

10:45 – 11:15 Uhr
Christopher Staab (Leipzig): Die Historisch-Archäologische Schulsammlung an der Max-Klinger-Schule in Leipzig

11:15 – 12:00 Uhr – Abschlussdiskussion

12:15 Uhr – Führung durch das LEIZA

Verabschiedung

CFP „Die Dinge einmal anders betrachten – Neuer Materialismus in der Archäologie“

Gemeinsame Tagung der AG Theorien in der Archäologie (TidA) mit dem Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) in Mainz, dem Exzellenzcluster ROOTS und dem Marburger Centrum für Antike Welt (MCAW) vom 20.-21.03.2025

Sind die Dinge noch so, wie wir denken? Die Archäologie und verwandte Wissenschaften beschäftigen sich maßgeblich mit materieller Kultur, doch haben die Dinge neuerdings ein „Eigenleben“ gewonnen. Perspektiven aus der Forschung des Neuen Materialismus haben das humanistische Wissenschaftsverständnis auf den Kopf gestellt. Dinge sind mehr als nur von und für Menschen gefertigte Objekte, sondern Dingversammlungen, Assemblagen und materielle Formen des Zusammenlebens. In unserer Tagung gehen wir über ein Verständnis von Dinge als Bedeutungsträger, Symbole oder Medien hinaus und wollen neue Perspektiven in die wissenschaftliche Diskussion einbringen.

Ausgehend von den philosophischen Arbeiten von Gilles Deleuze, Felix Guattari und anderen gibt es verschiedene Ansätze zu einer posthumanistischen Bewertung von Dingen, die ein ganzes Spektrum neuer Perspektiven einbringen: von relationalen Verflechtungen, über multiple Ontologien bis hin zu Vorstellungen von vibrant matter. Der in diesem Zusammenhang ausgerufene Ontological Turn, der auf die potentiell sehr unterschiedlichen Weltanschauungen und Realitäten fokussiert, rückt die veränderte Rolle von Menschen, anderen Lebewesen, Dingen und Konzepten in den letzten Jahren in den Blick archäologischer Theoriebildung.

Die theoretischen Positionen des Neuen Materialismus haben u. E. gemeinsam, dass sie die Dingeauf andere Weise betrachten und ernstnehmen: 1) Dinge waren und sind aktiv an sozialen Prozessen beteiligt und keine passiven Objekte; 2) Dinge sind mehr als Materie und ihre Bedeutung; sie sind transformierende, lebhafte, eigensinnige Kräfte, deren Potentiale oft unverfügbar bleiben können; 3) Materie bildet keine stabilen und statischen Entitäten sondern befindet sich im ständigen Fluss. Diese drei Aspekte verweisen auf die Notwendigkeit, bestehende Vorstellungen dualistischer und dichotomischer Trennungen wie Natur /Kultur, Körper / Geist, materiell / sozial oder lebendig / tot theoretisch zu überarbeiten.

Für ein relationales und dynamisches Verständnis materieller Welten werden daher auch neue Konzepte benötigt, wie Kollektive, soziale Gefüge, Assemblagen / agencements, Netzwerke und Material Flows. Diese legen den Fokus auf die Veränderungen, Beziehungen und Emergenzen, anstatt auf essentialistische Eigenschaften und autonome Entitäten.

In der Archäologie konzentrieren sich diese Ansätze in der Regel auf die Ontologien vergangener Gesellschaften und die Art und Weise, wie sie ihre Welt(en) betrachteten und lebten. Dazu werden oft Querverbindungen zu verwandten theoretischen Ansätzen gezogen. Das betrifft z. B. den Neuen Animismus, Feministischen Materialismus, Neuen Vitalismus, Multispecies-Ansätze, Theorien der Inter- und Transkorporalität, oder Assemblage-Theorien. Mithilfe solcher Ansätze wird untersucht, wie Dinge in archäologisch untersuchbaren Zusammenhängen materialisiert, transformiert, platziert, behandelt, eingebettet oder bewahrt wurden.

Mit unserer Tagung wollen wir genau solche archäologischen Anknüpfungen thematisieren und die Dinge einmal anders betrachten:

  • Wie lässt sich unter der Forschungsperspektive des Neuen Materialismus das Zusammenleben von Menschen, Tieren und Dingen in der Vergangenheit neu verstehen?
  • Welche Auswirkungen hat der Neue Materialismus auf archäologisches Arbeiten wie Ausgraben und Kategorisieren, Restaurieren und Konservieren, Interpretieren und Quantifizieren, Konzeptualisieren und Theoretisieren sowie Ausstellen und Vermitteln?
  • Welche neuen Herausforderungen und Zugangsweisen, Fragestellungen und Perspektivenergeben sich aus der Perspektive des Neuen Materialismus?
  • Wie stellt sich Archäologie jenseits von Dualismen in einer relationalen Denkweise dar?

Wir akzeptieren Beiträge für die zweitägige Tagung, die sich z. B. mit folgenden Aspekten in Bezug zum Neuen Materialismus auseinandersetzen: posthumanistische Narrative, Assemblagen, archäologische Kategorien, Körperverflechtungen, Architektur, Kunst. Zugleich sind auch Beiträge zum Einfluss des Neuen Materialismus auf archäologische Aufzeichnungen, Ausgrabungen, und Merkmalsbildungen willkommen.

Vorschläge für Vorträge oder Poster können mit einer maximalen Anzahl von 200 Wörtern bis zum 15.12.2024 an newmaterialism@posteo.de gesendet werden.

Eine Publikation der Tagung ist geplant.

Keynote Speaker: Ben Jervis (University of Leicester, UK)

Organisation: Sarah Bockmeyer (EXC ROOTS, Kiel), Sabine Neumann (Marburger Centrum AntikeWelt, Marburg), Stefan Schreiber (LEIZA, Mainz

Empfohlene Literatur:

  • Barad, Karen. 2007. Meeting the Universe Halfway: Quantum Physics and the Entanglement of Matter and Meaning. Durham, London: Duke University Press.
  • Ben nett, Jane. 2020. Lebhafte Materie: Eine politische Ökologie der Dinge. Berlin: Matthes & Seitz.
  • Deleuze, Gilles and Felix Guattari. 1997. Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie. Berlin: Merve.
  • Haraway, Donna J. 2018. Unruhig bleiben: Die Verwandtschaft der Arten im Chthu/uzän. Frankfurt a. M., New York: Campus.
  • Harris, Oliver J. T. 2021. Assembling Post Worlds: Materials, Bodies and Architecture. Abington, New York: Routledge.
  • Hoppe, Katharina and Thomas Lemke. 2021. Neue Materialismen zur Einführung. Hamburg: Junius.
  • Jervis, Ben. 2018. Assemblage Thought and Archaeology. Abingt on, New York: Routledge.

CFP „From Different Worlds – Interdisziplinäre Kombination und Adaption von Theorien in den Altertumswissenschaften“

Ein gemeinsamer Workshop in der Reihe „Theory in Practice“ der AG Theorien in der Archäologie (TidA) und des Profilbereichs „40,000 Years of Human Challenges“ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz vom 31.01.2025–01.02.2025


Die altertumswissenschaftlichen Fächer nutzen für ihre Analysen häufig Theorien und Methoden anderer wissenschaftlicher Disziplinen, seien es die Kognitionswissenschaften, Psychologie, Linguistik, Soziologie, Kunstgeschichte und viele mehr. Oftmals werden diese Theorien eklektizistisch ausgewählt, unverändert angewandt oder nur geringfügig adaptiert. Besonders spannend wird es aber, wenn die Altertumswissenschaften Theorien und Methoden anderer Disziplinen entlehnen, kombinieren, übersetzen oder in anderem Kontext neu entworfen werden. Durch die innovative Kraft der Altertumswissenschaften können so Forschungsbereiche weiterentwickelt und neu gedacht werden. Hierzu bietet die Erforschung der Vormoderne ein ideales Feld, das einerseits eine longue-durée-Perspektive bietet, aber auch synchrone und diachrone vergleichende Betrachtungen ermöglicht.

Der Workshop möchte ausloten, wie, warum und in welchen Bereichen altertumswissenschaftliche Fächer theoretische Grundlagen neu definieren, vorhandene Theorien und Ansätze adaptieren oder kombinieren, die zuvor noch nicht zusammen gedacht wurden. Ansprechen möchten wir Wissenschaftler*innen, die in ihren Forschungen methodische oder theoretische Überlegungen anderer Forschungsbereiche adaptieren, weiterentwickeln oder neu zusammenfügen möchten. Im Fokus steht das Spannungsfeld zwischen dem innovativen Potential der Altertumswissenschaften und der Operationalisierbarkeit von theoretischen Ansätzen.

Der Workshop ist an ein Barcamp-Format angelehnt: Am ersten Workshop-Tag führt eine Keynote-Lecture in die Thematik ein. Danach besteht die Gelegenheit, in 20-minütigen Vorträgen die eigene Herangehensweise, best-practice-Beispiele sowie Herausforderungen in der theoriegeleiteten Forschung zu präsentieren und mit dem Plenum zu diskutieren. Am zweiten Workshop-Tag bestimmen die Teilnehmer*innen selbst, zu welchen Aspekten vertiefender Input und Austausch gewünscht wird – in Kleingruppen werden dann konkrete Ansätze diskutiert, weiterentwickelt und „erprobt“. Am Nachmittag des zweiten Tages führen die Teilnehmer*innen ihre Ergebnisse wieder zusammen.

Wir möchten Altertumswissenschaftler*innen aller Disziplinen einladen, sich am Workshop zu beteiligen. Bitte senden Sie uns einen Titel und ein Abstract (max. 1000 Zeichen) Ihres geplanten Vortrags bis zum 30. Juni 2024 an differentworlds[at]uni-mainz.de. Wir informieren zeitnah nach der Deadline über die Annahme der Einreichungen. Vorträge sind auf deutsch oder englisch möglich. Wir ermuntern dezidiert junge Wissenschaftler*innen (praedoc/postdoc) sich mit einem Beitrag zu bewerben.

Wir bitten auch um eine Anmeldung für eine Teilnahme ohne Vortrag. Senden Sie uns hierzu bitte eine E-Mail an differentworlds[at]uni-mainz.de.

Anteilig können Reise- und Übernachtungskosten in begründeten Fällen beantragt werden. Wir bitten diesen Bedarf möglichst bereits zusammen mit dem Abstract anzugeben.

Ort: Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Fakultätssaal im 7. Stock der Naturwissenschaftlichen Fakultät, Johann-Joachim-Becher-Weg 21 (Campusgelände), 55128 Mainz
Datum: 31.01.–01.02.2025
Organisation:
Dr. Monika Zöller-Engelhardt (IAW | Ägyptologie, JGU Mainz)
Dr. Sarah Scoppie (LAD Regierungspräsidium Stuttgart)
Dr. Stefan Schreiber (Theoretische Archäologie, LEIZA, Mainz)
Tina Beck, M.A. (Ägyptologie, FU Berlin)


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Reflexionen über die Bildung von Kategorien in der Archäologie: Ein Rückblick auf die gemeinsame Session der AG TidA und AG Geschlechterforschung 2022

Ein Gastbeitrag von Jana Esther Fries, Hanna Jegge & Sophie-Marie Rotermund

Im Zeitraum vom 5. bis 6. April 2022 führten Jana Esther Fries, Hanna Jegge (AG Geschlechterforschung) und Sophie-Marie Rotermund (AG TidA) erfolgreich die gemeinsame Online-Tagung: „Kategorienbildung und dann? Komplexität, Widersprüchlichkeit und Vielfalt archäologisch begreifen“ durch. Ziel der Tagung war es, die theoretischen Grundlagen und Ergebnisse der deutschsprachigen Archäologie im Kontext von Geschlechterfragen zu beleuchten sowie einen breiteren Blick auf die Bildung von Kategorien in der Archäologie insgesamt zu werfen. Die Input-Vorträge und Diskussionen während der Veranstaltung konzentrierten sich auf zentrale Fragen, darunter die Rolle von (starren) Kategorien in der Archäologie, die Formierung von Kategorien in der Geschlechterforschung und die Möglichkeit, in der Archäologie ohne Kategorien zu forschen. Die Tagung bot nicht nur informative Vorträge und Diskussionen, sondern integrierte auch Arbeitsgruppen im bewährten World Café-Format.

Dabei wurden Fragen aufgeworfen, die während der gesamten Tagung weiterverhandelt wurden: Wie werden Kategorien (auch in der Archäologie) gebildet, genutzt und gedacht? Wie tief zieht sich binäres Kategorisieren durch das Fach? Ab welchem Punkt werden Kategorien problematisch und ggf. hinderlich? Welche methodischen Mittel stehen uns zur Verfügung, um mit den vermeintlichen Widersprüchlichkeiten, der Komplexität und eventuellen Vielfalt von Geschlechtern in archäologischer Auseinandersetzung umzugehen? Können wir ohne Kategorien forschen?

Die Auseinandersetzung mit der Bildung von Kategorien erstreckte sich über drei Themenblöcke:

Im ersten Block wurde die Nützlichkeit und Unvermeidbarkeit von Kategorien erörtert. Hierbei wurde betont, dass sorgfältig gewählte Kategorien das Potenzial haben, neue Erkenntnisse zu generieren, während unüberlegte oder rigide Kategorien den wissenschaftlichen Fortschritt behindern können. Archäologische Forschung ganz ohne Kategorien erschien uns schon rein aufgrund der behandelten Datenmengen schwierig.

Der zweite Block widmete sich der Frage, wie Kategorien das Denken einschränken können. Es wurde hervorgehoben, dass die Bildung von Kategorien einen bedeutenden Machtfaktor darstellt und die Grenzen von Kategorien in der Archäologie flexibler gestaltet werden müssen.

Im dritten Block stand die Suche nach einem verbesserten Umgang mit Kategorien im Fokus. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten verschiedene Lösungsansätze, darunter eine kontinuierliche Evaluation und Weiterentwicklung bestehender Kategorien, eine verstärkte Betonung der Beziehungen zwischen den Kategorien und die Vermeidung von binären Denkmustern.

Die Resonanz auf die Tagung war äußerst positiv, und sie wurde als weitaus hilfreicher als herkömmliche Vortragsveranstaltungen wahrgenommen. Teilgenommen haben 35 Personen. Besonders wurde betont, dass die Arbeit an Kategorien eine fortlaufende und unabdingbare Aufgabe ist. Das Interesse der Teilnehmenden an einer Ausweitung der Diskussion über die Bildung von Kategorien auf andere Themenfelder signalisiert einen anhaltenden Bedarf an einem umfassenden Austausch zu diesem komplexen Thema.

Literatur:
JANA ESTHER FRIES, HANNA JEGGE und SOPHIE-MARIE ROTERMUND, Kategorienbildung und dann? Komplexität, Widersprüchlichkeit und Vielfalt archäologisch begreifen, Blickpunkt Archäologie 2/2023, 143–150.

Weitere Informationen wie Programm und Abstracts der Tagung sind hier zu finden.

Arbeitsgemeinschaft Theorien in der Archäologie